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Vögel in der Mitte, Pflanzen unten, ein Weihnachtsbaum links, Gebäude im Hintergrund und Banner mit Text.

Die Wahrheit

Die Wahrheit

Alljährlich in Bayern: Vor Weihnachten allgegenwärtig ist das Gedicht „Heilige Nacht“ des nach wie vor beliebten Antisemiten Ludwig Thoma.

  1. Dezember 2025, 23:06 Uhr

Unterhaltung, Popkultur

Eine seit langem gepflegte Weihnachtsradition in Bayern gerät wegen ihrer umstrittenen Ursprünge erneut in die Kritik. Seit über 25 Jahren zieht Enrico de Parutas jährliche Rezitation von „Heilige Nacht“, einem Gedicht von Ludwig Thoma, in München, Ingolstadt und Regensburg Publikumsmagnete an. Doch die antisemitischen Untertöne des Werks und seine respektlose Darstellung von Maria und Josef haben eine Debatte über seinen Platz in modernen Feierlichkeiten ausgelöst.

Ludwig Thomass „Heilige Nacht“ bleibt ein fester Bestandteil bayerischer Weihnachtsbräuche und wird häufig in Schulen, Kirchen und bei öffentlichen Veranstaltungen vorgetragen. Die Anfangszeilen – „Im Wald is so staad / Alle Weg san vawaht / Alle Weg san vaschniebn / Is koa Steigl net bliebn“ – zeichnen ein humorvolles, aber pietätloses Bild vom Weg der Heiligen Familie nach Bethlehem. Die Schlussverse – „So hat die Nacht / Den Heiland bracht / Zu dieser Stund. / Ehre sei Gott in der Höhe / Und Frieden den Menschen herunt!“ – stehen im Widerspruch zum vorherigen spöttischen Ton und verstärken die Kontroverse.

Thomass antisemitische Haltung ist gut dokumentiert, darunter Artikel, die er für den „Miesbacher Anzeiger“ verfasste. Dennoch tragen Straßen und Schulen in Oberbayern noch immer seinen Namen. Aktuelle Forderungen nach Umbenennungen stoßen auf Widerstand; viele Einheimische argumentieren, Thomass Werke seien ein geschätztes Kulturgut. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter soll sich gegen die Umbenennung einer nach Thoma benannten Straße ausgesprochen haben – eine Haltung, die eine generelle Zurückhaltung der Bayern widerspiegelt, sich von Traditionen zu distanzieren, die mit dem Schriftsteller verbunden sind. Seit Generationen versuchen Familien, das Gedicht bei festlichen Singrunden zu umgehen, doch seine Beliebtheit bleibt ungebrochen.

Die Diskussion um „Heilige Nacht“ zeigt das Spannungsfeld zwischen Traditionspflege und der Auseinandersetzung mit problematischen Erblasten. Während Thomass Gedicht weiterhin fester Bestandteil der bayerischen Weihnachtsbräuche ist, spaltet sein umstrittenes Erbe die Meinungen. Ohne offizielle Bestrebungen, es aus dem öffentlichen Leben zu verbannen, werden Tradition – und die sie begleitenden Kontroversen – voraussichtlich bestehen bleiben.